Rede zur aktuellen Stunde vom 7.10. im Landtag: ‚Niedersachsen dreht auf‘

„Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Corona-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die viele Bereiche des sozialen Lebens und des Miteinanders berührt. Kunst und Kultur sind gerade in schwierigen Zeiten elementar. Gewohnte und liebgewonnene Strukturen geraten unter Druck und stoßen an ihre Grenzen. Kunst und Kultur schaffen Räume für Kritik und bieten Anregungen zum Nachdenken und zur Reflexion, gerade auch in Zeiten einer Pandemie mit all ihren psychosozialen Folgen.

In dieser schwierigen Zeit mit einem leider dynamischen Infektionsgeschehen und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen ist die Politik besonders gefordert, klug und mit Augenmaß zu reagieren. Arbeitsplätze und Existenzen werden z. B. durch das Kurzarbeitergeld gesichert. Dieses und weitere arbeitsmarkt- und sozialpolitische Instrumente sind auf die Beschäftigungsformen des Normalarbeitsverhältnisses einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers abgestimmt. Doch daneben existieren noch weitere, teils prekäre Beschäftigungsformen, die vielfältige Lebenswirklichkeiten abbilden, mit entsprechend notwendigen Konsequenzen für unsere Sozialversicherungssysteme.

Kulturschaffende und insbesondere Soloselbstständige müssen sich selbst eine Altersvorsorge aufbauen, die nach geltendem Recht aufgebraucht werden muss, bevor sie in die Grundsicherung gelangen können. Das ist ein Problem, das wir auf Landesebene nicht lösen können. Es existiert zudem auch kein Äquivalent zum Kurzarbeitergeld für Soloselbstständige. Die Sozialversicherungssysteme in Deutschland, so stellen wir fest, sind wirklich sehr gut, aber sie halten nicht mehr mit den Entwicklungen unserer diverser werdenden Gesellschaft mit. Deshalb müssen mit den finanziellen und politischen Möglichkeiten des Bundes diese Systeme so reformiert werden, dass sie den sich wandelnden Lebenswirklichkeiten entsprechen.

Die Einkommenssituation der Soloselbstständigen in der Kulturbranche ist seit der Pandemie dramatisch. Viele Künstlerinnen und Künstler mussten seit März auf Veranstaltungen und damit ihr komplettes Einkommen verzichten. Erst seit Kurzem sind Veranstaltungen mit einem strengen Hygienekonzept und einer deutlich reduzierten Anzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern möglich, und die Perspektiven sind leider nicht sonderlich rosig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Programm ‚Niedersachsen dreht auf‘ werden Maßnahmen getroffen, um den Soloselbstständigen und der Kulturbranche in dieser prekären Situation zu helfen. Dafür hat allein das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in den engen Grenzen seines Haushaltes 10 Millionen Euro vorgesehen. Ziel dieses Programmes ist es, mehr kulturelle Veranstaltungen unter den erschwerten Bedingungen möglich zu machen. Das Programm verfolgt den Ansatz, durch diese Veranstaltungen und Auftritte die Kulturszene zu unterstützen. Denn aus sehr vielen persönlichen Gesprächen wissen wir, dass für eine Menge der betroffenen Personen die bisherigen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen nicht unbedingt passgenau waren. Aber wir kennen genauso den inbrünstigen Wunsch, wieder auftreten und arbeiten zu können. Kreativität braucht Sicherheit, aber insbesondere auch Autonomie, damit sie sich entfalten und wirken kann. Kulturveranstaltern soll mit diesem Programm die Sicherheit gegeben werden, dass sie wieder Verträge mit Soloselbstständigen abschließen können. Auch für Soloselbstständige, die im nicht öffentlichen Bereich tätig sind, greift dieses Programm. Zwar bietet es keine Lösung für die vielfältigen Probleme mit der Grundsicherung und deren Durchführung, aber es ist ein Anfang, wieder aufdrehen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe mit den Worten August Everdings ‑ und es gibt ein Freigetränk für jeden und jede, der oder die ohne Google weiß, wer das war ‑:

‚Kultur arbeitet Vergangenheit auf, lebt Gegenwart und bereitet Zukunft vor. Nein, mehr, die Kultur ist die Zukunft, die heute noch nicht begriffen wird.‘

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.“