„Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke der FDP-Fraktion herzlich für diesen Antrag zur Aktuellen Stunde. Das Thema Kultur in Quarantäne hat mich zunächst sehr erfreut. Wir alle haben in den letzten Monaten viele Krisengespräche geführt mit Schauspielerinnen und Schauspielern, die – im Gegensatz zu Tatortkommissaren – von heute auf morgen nicht mehr auftreten konnten, mit Musikerinnen und Musikern, die ihre Band-Mitglieder vermissen und sich gemeinsam auf die Zeit nach Corona vorbereiten müssten, mit Soloselbständigen, die plötzlich keine Einnahmen mehr haben. Ich denke, alle demokratischen Fraktionen hier – wir haben ja nur noch demokratische Fraktionen – sollte das Bestreben einen, die Vielfalt von Kunst und Kultur in Niedersachsen nicht nur zu erhalten, sondern einen verlässlichen Rahmen zu bieten, dass sie sich stets weiterentwickeln und neu erfinden können.
So weit, so gut. Doch dann bekommt das Ansinnen der Liberalen in der diese Aktuelle Stunde flankierenden Presse einen Duktus, der wieder einmal Ihre Bigotterie in der Pandemie-Bekämpfung offenbart. Von einer „von oben verordneten Quarantäne“ ist dort z. B. die Rede. Ich bitte Sie, lieber Herr Alt, sehr geehrter Herr Dr. Birkner. Woher sollen denn wirksame Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung kommen? Richtet es, wie bei Ihnen so häufig, etwa der Markt? Oder ist es die neoliberale Strategie: Jeder ist seines Glückes Schmied, und wenn jede für sich selbst sorgt, ist für alle gesorgt?
Mit Ihrem Duktus „Die da oben, wir da unten“ gießen Sie jedenfalls Wasser auf die Mühlen der Gegner unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Und dann, so der Weser-Kurier, verwies FDP-Fraktionschef Birkner auf die dramatische Lage der Kulturschaffenden, die sich in der Aktion „Alles dicht machen“ von rund 50 Schauspielerinnen und Schauspielern Luft gemacht habe – abgesehen davon, dass eben diese Schauspielerinnen und Schauspieler gerade nicht repräsentativ für die Mehrheit der Kulturschaffenden sind, denen es wirklich schlecht geht: Die Beiträge, Herr Dr. Birkner, sind nicht, ich zitiere Sie, „unglücklich rübergekommen.“ Sie sind teils zynisch, teils hämisch und wenig konstruktiv. Sie sind ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte, der Ärztinnen und Ärzte und all derjenigen, die sich seit über einem Jahr solidarisch verhalten.
Selbstverständlich sind Videos wie diese ein legitime Form der Meinungsäußerung. Sie sind aber auch kein kultureller Heiliger Gral – und sie haben die massive Kritik, die ihnen entgegenschlägt, verdient. Auch wenn mir der Kollege Försterling bisweilen vorwirft, die Sprachpolizei zu sein – ein Engagementverbot für die hieran Beteiligten lehne ich ab. Ich persönlich werde weiterhin ebenso den Münsteraner „Tatort“ anschauen wie ich Tukurs künstlerische Leistungen im Salzburger „Jedermann“ oder in Hanekes „Das weiße Band“ nach wie vor sehr schätze.
Die Energie der Akteurinnen und Akteure hätte in andere Projekte fließen können. Denn Kultur hat auch im Lockdown stattgefunden und bleibt trotz Pandemie sichtbar – nur eben anders als gewohnt und in dem Maße eingeschränkt, wie es gerade leider erforderlich ist. Beispielsweise hat die Initiative „Einfach Kultur“ in Oldenburg im Sommer letzten Jahres rund 30 Konzerte angeboten. Als sich die Infektionslage verschärfte, hörten die Beteiligten nicht auf, sondern erdachten neue Formate. Zum Beispiel fand Anfang des Monats ein Livestreamfestival statt.
Ich bin mir sicher, dass Niedersachsen Kreative sich immer etwas einfallen lassen, immer Neues versuchen werden. Unsere Aufgabe als Politik ist es, sie darin zu stärken und zu unterstützen. Das funktioniert im Kleinen wie z. B. mit Blick auf das kommunale Kulturnetzwerk für Soloselbstständige in Flensburg. Das funktioniert aber auch im Großen. Das Programm „Niedersachsen dreht auf“ war ein Erfolg und soll verlängert werden. Über das Bundesprogramm „Neustart Kultur“ beteiligt sich das Land außerdem an Investitionskosten von kulturellen Einrichtungen. Damit können Schutzkonzepte erarbeitet und umgesetzt werden, damit, soweit es die Infektionslage hergibt, ein möglichst sicheres Kulturangebot realisierbar ist.
Unabhängig von der Pandemie brauchen wir jedoch eine bessere Finanzierung von Kunst und Kultur. Deswegen begrüße ich den Vorstoß meines Parteivorstandes in Berlin ausdrücklich, Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen.
Vielen Dank.“
Es gilt das gesprochene Wort.