Meine Rede zur Aktuellen Stunde am 09.11.21: #RettedeinTheater

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eine große Freundin des Theaters – ob Laientheater, freie Ensembles oder die staatlich geförderten Aufführungen. Erst am Sonntagabend war ich im Ballhof Zwei bei einer tollen Inszenierung des Nachwuchsregisseurs Jonathan Heidorn, den ich bei der gerade schon angeführten Aktion „40 000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre*n Abgeordete*n“ kennenlernen durfte.

Als Theaterfreundin tut es mir weh, Kulturschaffende verzweifelt zu sehen. Ich würde mir eine andere Situation für die niedersächsischen Theater wünschen. Da ist die Übernahme des Tarifausgleichs leider nur ein Teilbaustein.

Theater in Niedersachsen haben es nicht leicht. Aus einer Studie des Kulturrates geht hervor, dass Niedersachsen in puncto Arbeitsbedingungen, Gehalt und Bindung besonders schlecht abschneidet. Die Gehälter von Beschäftigten in Niedersachsen, die in der Künstlersozialkasse versichert sind, liegen dauerhaft unter dem westdeutschen Durchschnitt – und das, liebe Kollegin Viehoff, nicht erst seit vier Jahren oder seit der Pandemie, sondern mindestens seit der ersten Erhebung 2013. Weniger verdienen Kulturschaffende, die in der KSK versichert sind, nur im Saarland.

Theater ist eine besonders personalintensive Branche. Für eine erfolgreiche Produktion findet sich ein bunter Mix an Professionen zusammen. Aus diesem bunten Mix habe ich in den vergangenen Monaten immer wieder eines gehört: Wir wünschen uns eine verbindlichere staatliche Unterstützung. – Das betrachte ich als Vertrauensvorschuss. Das ist mir in diesen Zeiten wichtig, zu betonen. In der niedersächsischen Kultur- und Theaterszene ist das Vertrauen in die politischen Institutionen groß.

Es gab auch Zeiten, in denen Kulturschaffende staatliche Unterstützung aus Angst um die Freiheit der Kunst mit Skepsis betrachteten. Doch die Theaterschaffenden wissen: Wenn das Land fördert, bleibt ihnen nicht weniger, sondern mehr Raum für Kreativität und Innovation, weil sie nicht immer wieder nach individuellen Projektförderungen suchen müssen und sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können. Ich finde, wir sollten dieses Vertrauen nutzen und die gelungene Zusammenarbeit intensivieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hoch qualifiziert und kleines Gehalt, selten weniger als 40 Stunden pro Woche und eine schlechte Absicherung, was Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter angeht – das verstehen auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht unter guter Arbeit. Gleichzeitig brennen viele Theaterbeschäftigte für ihren Job und können sich keine erfüllendere Tätigkeit vorstellen.

Deswegen ist es Aufgabe der Politik, diese kreative Arbeit zu guter Arbeit zu machen. Wir hier in Niedersachsen können dafür sorgen, dass sich die ohnehin schon häufig prekären Beschäftigungsverhältnisse nicht noch weiter verschärfen – zumindest in dem von uns gesteckten Rahmen. Mir ist bewusst, dass wir das in Niedersachsen nicht allein werden stemmen können. Denn ein Grundpfeiler dabei ‑ das hat auch Corona gezeigt ‑ ist eine ordentliche soziale Absicherung. Die ist nur auf Bundesebene zu erreichen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich hier in den kommenden vier Jahren einiges bewegen wird. Wir sollten deswegen unseren Teil beitragen und den Theaterschaffenden die Anerkennung zukommen lassen, die ihnen zusteht.

Auch ich habe die HAZ gelesen. Den Auftritt unseres Finanzministers im Theater habe ich zur Kenntnis genommen. Da scheint sich eine gute Koalition zu bilden. Der Autor der Glosse „Lüttje Lage“ vom 5. November hat hoffentlich recht mit seiner Annahme, wie die nächste Kabinettssitzung ablaufen könnte:

„Ich überlegte, ob ich vielleicht bisher ein falsches Bild vom Finanzminister gehabt habe. Bei der nächsten Kabinettssitzung wird er sagen: ‚Leute, wir haben uns da zu was verstiegen. Wir können bei den Theatern nicht sparen, die sind gut, die brauchen das Geld.‘“

Ja, Reinhold Hilbers ‑ zumindest der fiktive Reinhold Hilbers ‑, das stimmt. Die Theater brauchen das Geld.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort. Ein Video der Rede finden Sie auf den Seiten des Niedersächsischen Landtages.