Meine Rede zur Aktuellen Stunde am 14.12.21: Kulturelle Teilhabe braucht verlässliche Strukturen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Lars Alt, machen Sie sich mal keine Sorgen! Die Koalitionspartnerin ist nicht brüskiert durch diesen Antrag zur Aktuellen Stunde, haben wir doch ein Kulturfördergesetz schon in unserem letzten Wahlprogramm gefordert. Insofern: Alles im grünen Bereich! Und was den Charakter Ihrer Anträge zu Aktuellen Stunden angeht ‑ habe ich so überlegt ‑, weiß ich bei Ihnen manchmal auch nicht: Wird es der Freedom Day oder der Wolf? – Aber das sei einmal dahingestellt.

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie lebensrelevant eine flächendeckende und vielfältige Kulturlandschaft ist. Sie hat uns ebenso vor Augen geführt, wo es Stärken, aber auch Schwächen in deren materieller, aber auch struktureller Unterstützung gibt. Wir haben sehen müssen, wie fragil die soziale Absicherung vieler Kulturschaffender ist. Wir stellen fest, dass der Kulturbetrieb einer anderen Förderung als bisher bedarf, um sich krisenfest aufstellen zu können.

Mit dem Corona-Hilfsprogramm des Bundes und des Landes haben wir den Kulturschaffenden kurzfristig geholfen. Eine längerfristige, verlässliche und belastbare Perspektive ist jedoch vonnöten. „Dazu gehört auch,“ ‑ so heißt es, wie gesagt, schon in unserem Wahlprogramm von 2017 ‑ „für gute und faire Arbeitsbedingungen durch Übernahme der Tarifsteigerungen im Bereich Kultur und Kunst zu sorgen. In einem Kulturfördergesetz soll die landesweite Versorgung mit kulturellen Einrichtungen … gesichert werden.“

Um das zu schaffen ‑ das zeigen sowohl die Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen als auch Rückmeldungen von mehreren Veranstaltungen, die wir als SPD-Fraktion zu diesem Thema durchgeführt haben ‑, ist es wesentlich, zuzuhören und die vielfältigen Bedarfe und Bedürfnisse der ehren- und hauptamtlichen Kulturschaffenden aufzunehmen.

Wir brauchen einen Beteiligungsprozess; denn die Expertinnen und Experten in dieser Sache machen Musik, spielen Theater, betreiben ein Heimatmuseum und führen Workshops der kulturellen Bildung mit Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien durch. Sie waren es auch, die uns darauf hingewiesen haben, wenn unsere gut gemeinten Corona-Hilfsprogramme an der Lebensrealität vorbei unterstützt oder eben nicht unterstützt haben.

In zahlreichen Gesprächen, die wir geführt haben, sind Bürokratie und Komplexität in den Antragsverfahren als alltägliche Probleme genannt worden. Daher muss es ein weiteres Ziel eines Kulturfördergesetzes sein, Antragsverfahren zu vereinfachen und mögliche Hürden abzubauen. Mit einem Kulturfördergesetz, in dem auch die finanzielle Ausstattung und die Zuständigkeit der verschiedenen staatlichen Ebenen festgeschrieben ist, wird Kunst und Kultur als öffentliche Aufgabe rechtlich deutlich bessergestellt. Damit könnte ihr häufig als sogenannte freiwillige Leistung postulierter Status signifikant aufgewertet werden.

Ein Kulturfördergesetz muss auch einen Kulturförderplan enthalten, welcher der Kultur im Land und in den Kommunen Orientierung und Verlässlichkeit gibt. Das soll auch den einzelnen Kulturschaffenden Planbarkeit und Sicherheit geben. Gleichzeitig müssen die kulturelle Infrastruktur sowie deren nachhaltige Pflege und Weiterentwicklung im Blick behalten werden.

Darüber hinaus sollte jährlich ein Kulturbericht über die Lage der Kultur und der Kulturförderung von der Landesregierung erstellt werden. Dieser schafft eine Grundlage für Nachjustierungen, stärkt parlamentarische Beteiligung und führt dazu, dass Kulturpolitik wieder mehr in das Zentrum der politischen Debatten im Landtag rückt.

In diesem Sinne freut es mich sehr, dass die Ampel in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hat, Kultur als Staatsziel zu verankern. Ich finde, diese Absicht und auch das Vorhaben eines Niedersächsischen Kulturfördergesetzes sind hervorragend geeignet, eine gesamtgesellschaftliche Debatte um die Bedeutung und den Stellenwert von Kultur zu führen. Wir haben zu diskutieren, wie eine zeitgemäße Kulturpolitik im 21. Jahrhundert aussehen kann. Nicht nur Corona lehrt uns auch hier: Wir müssen mehr Fortschritt wagen. – Ein gutes Kulturgesetz, das mehr als einen Rahmen bietet, kann hierzu einen hilfreichen Beitrag leisten.

Vielen Dank.

Ein Video der Rede finden Sie hier.